Im Café Hummel in Wien

Die Hummel geht am liebsten ins Café Hummel, das auch über die Josefstadt hinaus bekannt dafür ist, dass hier vor allem Fußball geschaut wird, was aber nicht heißt, dass man den Cafébetrieb nicht ebenso ernst nimmt. Wenn man noch zwei gesunde Haxn hat und gerne friert, kann man natürlich auch ins Stadion gehen, aber wer zeitlebens dem Frittierten gut zugesprochen hat, ist zwar gut isoliert, aber eben drum auch nicht so blöd, zwei Stunden in der Kälte auf kaputten Haxn rumzustehen. – Wer jetzt fragt, warum die Hummel Blau-Gelb trägt, statt wie üblich Schwarz-Gelb, der sollte nicht zu laut fragen, denn die Hummel ist freilich Anhängerin von First Vienna und nicht etwa von 1210 oder Post SV. – Oje, ich glaub, das hat sie gehört! First Vienna, hurra! Prost, Hummel!

Im Café Schopenhauer in Wien

Das Café Schopenhauer ist ein Zwitter: halb Café, halb Buchhandlung. Das verträgt sich ganz gut, denn das Lesen fördert den Appetit, weil dabei so viel Zeit vergeht, dass man, auch wenn man zum Frühstück gekommen ist, plötzlich auch ein Mittagessen, Kaffee und Kuchen und ein Abendmahl benötigt, das aber hoffentlich nicht das letzte ist, denn es gibt ja noch so viel zu lesen! – Mitten im Café stehen drei grünbefilzte Kartenspieltische, die eine Gruppe Pensionisten in Beschlag nimmt. Die alten Leute betragen sich in Erwartung kommender Freuden wie ein Rudel junge Hunde. Sie brauchen einige zehn Minuten, bis sie sich der zahlreichen Über- und Unterjacken entledigt, alle Taschen nach den unentbehrlichen medizinischen und konservatorischen Utensilien untersucht, Tische und Stühle ohrenzerfetzend an die richtige Stelle verschoben und dabei die Ereignisse der letzten hundertundfünfzig Jahre ausgiebig besprochen haben, bevor sie endlich sitzen. Dann spielen sie Karten und plappern. Die kleinen Pappen stecken sie aufrecht in den Spalt zwischen Filz und Tischkante, damit die Hände frei bleiben für diverse Tässchen, Gläschen und Gäbelchen. – Lesen ist überschätzt, das richtige Leben schreibt doch die besten Geschichten.

Im Café Jelinek in Wien

Welche Farbe die Tapeten im Café Jelinek einmal hatten, ist nach ungefähr 1000 Jahren Räucherung durch Pfeifentabak, Fritierdämpfe und schwere Gedanken nicht mehr zu erkennen. Vermutlich ist, was wie ein Muster unter der Patina aussieht, das Kräuseln der Zeit selbst, die wie Wellen am Gestade eines Ozeans ihre Spuren hinterlässt. Man muss nur Geduld haben, um die Zeit dabei beobachten zu können, also bleibt man einfach hocken und bestellt noch ein Achtel, oder besser ein Viertel. Ach was, Herr Ober, bringens doch bitte gleich die ganze Flasche.

Das Monster im Park

Zum Abschluss der Wienreise gibt es kein Café, sondern etwas Ernüchterndes: Einen der beiden Flaktürme im Augarten und einer von insgesamt sechs in Wien, die noch am Ende des Krieges völlig sinnlos von Zwangsarbeitern errichtet werden mussten. Bisher kannte ich den nur aus dem Brenner-Roman von Wolf Haas, aber nun stand ich zum ersten Mal tatsächlich davor und das monströse Betongebirge baute sich fünfzig Meter hoch und quasi unzerstörbar vor mir auf. Angesichts der Umstände seiner Errichtung verbietet sich der Gedanke, aber dennoch finde ich, dass es genau das wäre, was München verdient hätte und zwar das Hundertfache davon, denn nirgendwo wird häufiger daran erinnert, dass der A.H. „ja eigentlich ein Österreicher war“.

Im Café Landtmann in Wien

Dem Landtmann merkt man seine Nähe zum Burgtheater an, denn alles ist auch hier theatralisch. Hinein kommt man nur, indem man das Zirkuszelt vor dem Eingang durchquert, wo das Publikum, das sich selbst für die Attraktion hält, neben denen sitzt, die am ersten freien Tisch hängen bleiben oder einfach nur eine rauchen wollen. In den riesigen Innenraum, also die eigentliche Bühne, gelangt man nur, wenn es der Regisseur, also der Oberkellner, gestattet, andernfalls wird man in einem Nebenraum platziert, wo man nicht unangenehm auffällt. Man merkt bald, dass das Stück, wenn auch mit wechselnder Besetzung, schon so oft gespielt worden ist, dass nur eine Neubesetzung noch ein wenig aufgeregt ist, während alle anderen halt ihren Job machen. Professionell, aber auch ein wenig mechanisch. Das Landtmann hat auf jeden Fall Stil und Kaffee und Speisen sind hervorragend, aber ihm fehlt ein bissl der Charme, den nur ein schon in die Jahre gekommenes Kaffeehaus haben kann, wo man zwar ebenso professionell bedient wird, aber die Oberfläche durch eine etwas schmierige Patina veredelt wird, und wo es nichts macht, wenn man mal seinen Text vergisst.

Im Café Camus in Wien

Das Camus ist kein klassisches Wiener Kaffeehaus, sondern anscheinend eine eher vom jugendlichen Publikum frequentierte Kneipe, aber wer sich nach dem französischen Philosophen benennt, verdient einen zweiten Blick. Zuerst fällt auf, dass man eine halbe Treppe hinab muss, also vielleicht im Sinne einer Metapher für den Tod. Wenn dem so ist, dann ist das Camus ein sehr hübsches und bequemes Grab. Da legt man sich gerne rein. Camus wird ja meist irrtümlich für einen Existenzialisten gehalten, dabei teilte er nicht dessen Annahme, dass die Existenz der Essenz vorausgeht: „Sie gehen und erheben sich beide im gleichen Schritt.“ Das ist offensichtlich wahr, denn der Old Fashioned, den ich bestellt habe, kam ohne Eis, war also die reine Essenz und haute so dermaßen rein, dass ich meiner Existenz aber so was von versichert wurde und das ganz ohne Schritt, sondern im Sitzen. Dem Leid und dem Elend in der Welt sei kein Sinn abzugewinnen, sagte Camus. Da hat er Recht, aber der Freude und dem Genuss durchaus schon – wofür man zwar nicht ins Café Camus gehen muss, aber es tun sollte.

Im Café Eiles in Wien

Im Café Eiles fand im Juli 1934 das letzte Treffen der Nazis vor dem misslungenen Putschversuch gegen die Dollfuß-Regierung statt. Der Ort hat ihnen offenbar kein Glück gebracht. Wie will man auch eine Regierung stürzen, wenn man sich zuvor den Magen mit so vielen schönen Sachen überladen hat. Insofern haben der gute Kaffee und die leckeren Kuchen wohl einen faschistischen Umsturz verhindert. Man kann sich also nur wünschen, dass der Kickl und seine Minions sehr oft und ausgiebig im Eiles speisen.

Im Café Schwarzenberg in Wien

Der Namensgeber des Platzes, nach dem das Café benannt ist, wurde vom Kaiser bei der Jagd erschossen. Das muss man im Café Schwarzenberg nicht befürchten, da die Monarchie ja schon lang abgeschafft ist. Das Schlimmste, was einem dort passieren kann, sind plappernde amerikanische Touristen. Ansonsten ist alles genauso, wie es sein soll.

Im Café Prückel in Wien

Im Prückel fühlt man sich ein bissl wie in einem Film von Tati und wenn dann der Kaffee kommt, kann es sein, dass man verwirrt ist, weil der französische Meister anscheinend auch selbst serviert.

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